THE EPIC

by Pola Sieverding


Opening: 14/04/2018 19:00

On view till: 28/04/2018


PROGRAMM


19 Uhr - Eröffnung
21 Uhr - Katalogpräsentation und Artist Talk mit Pola Sieverding und Maurice Funken vom NAK Neuer Aachener Kunstverein
22 Uhr - Sound by ORSON (VERSION) + AWA-BAR by ANNIKA

 

Anlässlich des Erscheinens des Künstlerbuches THE EPIC von POLA SIEVERDING im Hatje Cantz Verlag präsentiert das STUDIO FOR ARTISTIC RESEARCH die gleichnamige filmische Arbeit der Künstlerin. Zur Eröffnung stellen die Künstlerin und Maurice Funken, Kommissarischer Direktor des NAK Neuer Aachener Kunstverein und Co-Autor des Buches, die Publikation in einem Gespräch vor.

Nicht der Kampf selbst, sondern seine Bildlichkeit macht das Drama des Siegens oder Besiegtwerdens in einem Augenblick fassbar. Die Kamera von Pola Sieverding scheint dabei direkt zwischen die Kämpfenden zu fahren und uns in die Rolle des Mediums schlüpfen zu lassen; es situiert die Empfindungen nicht lediglich in unserem Blick, sondern unser Körper vermittelt jene Repertoires des Affekts.

 

In der AWA-Bar performen Annika und Orson (VERSION, OHM Berlin) mit Drinks und past, present and future Dub.

 

 

THE EPIC - 2016 - HD Video, Sound, 24’14’’
Starring: Abdullah Karalioglu, Azamat Machmudov
Director: Pola Sieverding - Director of Photography: Christoph Manz - Editor: Pola Sieverding
Colorist: Christoph Manz - Music: Orson Sieverding - Sound: Julian Holzapfel, Orson Sieverding
Dolly Operator: Stephan Thierbach - Assistant Director: Ulrich Urban
Production Assistants: Joelle Grosz, Thomas Koester, Leopold Wollenberger - Funded by: Kunststiftung NRW

 

 

»I have no difficulty justifying boxing as a sport because I have never thought of it as a sport. There is nothing funda- mentally playful about it; nothing that seems to belong to daylight, to pleasure. At its moments of greatest intensity it seems to contain so complete and so powerful an image of life–life’s beauty, vulnerability, despair, incalculable and often self-destructive courage–that boxing is life, and hardly a mere game. During a superior boxing match (Ali-Frazier I, for instance) we are deeply moved by the body’s communion with itself by way of another’s intransigent flesh. The body’s dialogue with its schadow-self–or Death.«

Joyce Carol Oates, On Boxing, 1987

 

Graziano pflegte seine Gegner nach dem Kampf zu küssen. Er umarmte und er küsste sie. So, als hätte sich im Verlauf des martialischen Gefechts, irgendwo auf der Schwelle zwischen Clinch und Todesnähe, das Gefühl eines fatalen Mit- einanders eingestellt, die Erkenntnis einer gemeinsamen Verdammnis, aus der jene Sympathie zu erwachsen schien, die nach dem erlösenden Schlussgong in der brüderlichen Umarmung ihren intimsten und gleichzeitig unbefangens- ten Ausdruck fand. Dankbarkeit, Respekt und Zuneigung lagen in dieser menschlichen Geste, als hätte es tatsächlich erst der leidenschaftlichen Tortur und einer bis zum Äußersten getriebenen Rivalität bedurft, um den Panzer der Isolation zu durchbrechen und sich füreinander zu öffnen. Wäre es demnach denkbar, dass der eigentliche Reiz dieses brachialen Kampfspiels gar nicht in der Vernichtung, sondern in der Verständigung liegt?

Wenn es das Wesen der Leidenschaft ist, die unerträgliche »Diskontinuität« der voneinander getrennt existierenden Individuen durch »eine wunderbare Kontinuität zwischen zwei Wesen« zu ersetzen, wie Georges Bataille meint, dann dürfte zweifellos auch die Passion des Boxens wesentlich durch die Aussicht auf Entgrenzung, sprich: Kommunikation motiviert sein – jene genuine, wortlose Form der Verständigung, wie sie eben nur in den Momenten des Außer-sich- Seins gelingen kann: »Die ›Kommunikation‹ findet nur zwischen zwei aufs Spiel gesetzten Wesen statt – zerrissen in der Schwebe, beide über ihr Nichts gebeugt.«

Michael Kohtes, Lob des Schönschlagens. Ein Capriccio, in The Epic, 2017.

 

Im finalen, die Narrative der Arbeit bestimmenden Akt des Clinches der beiden Kämpfer entwickelt der Film ein mehr- deutiges assoziatives Potenzial zunächst auf rein visueller Ebene. Es ist ein sinnlicher Moment von sportlicher Rivalität und körperlicher Nähe, eine Mischung aus Kapitulation und Erschöpfung, Spannung und Entspannung, ein letztes Aufbäumen, ein letzter Schlag. Aggression trifft auf und arbeitet gegen Zuneigung. Grenzen verwischen und werden überschritten, alles ist offen, alles ist möglich, wenn die Distanz fehlt. Sieverding vermag damit subtil wie bereits in früheren fotografischen Arbeiten zugewiesene und potenziell gesetzte Rollen von Männlichkeit und Körpercodes zu hinterfragen. Der Clinch als Augenblick der Annäherung zweier schwitzender, halbnackter Männer ist bewusst unein- deutig und denkbar homoerotisch konnotiert. Die schwarze Leere des Raums gibt der zärtlichaggressiven Spannung die nötige Intimität, schafft es, Geschlechterrollen auszusetzen und die wahre Identität freizulegen. Maskulin erlerntes Verhalten pausiert in diesem zeitlossinnlichen Nexus und steht zur Disposition. Der Clinch wird damit zu einem non- verbalen Diskurs über Männlichkeit. Männliche Aggression, Sexualität, Bonding, Erotisierung, Grenzen und Identität stehen im Zentrum des Clinches, dem Sieverding endlos viel Zeit gibt, sich zu entfalten, und der gerade in der Verlang- samung an Schönheit und Kraft gewinnt.

Maurice Funken, The Epic. Assoziatives Potential vor schwarzer Kulisse, in The Epic, 2017.

 

Die Körperbilder – oder vielmehr die Körperinszenierungen – materialisieren sich im Helldunkel der Kontraste, sie werden durch das Spiel des Lichts auf der Haut hervorgehoben, durch das die Muskulatur sichtbar wird. Die Fleisch- lichkeit der Körper, die sich normativen Schönheitsidealen eher entzieht, wird in der Performanz der Aufführung und Ausstellung zu dem eigentlichen Ereignis. Nicht der Kampf selbst, sondern seine Bildlichkeit macht das Drama des Siegens oder Besiegtwerdens in einem Augenblick fassbar. (...)

The Epic – sowohl Titel der Ausstellung als auch Titel des gezeigten Films mit zwei Boxern – verweist auf das Epos, die große Erzählung und breite Darstellung eines monumentalen Heldennarrativs, die jedoch nicht nur aus Gründen der Rede von deren Ende in der Postmoderne, sondern vor allem ob ihrer immanenten Ambivalenz nur noch als mehrfach gebrochene erscheinen kann. Ebenso evoziert der Titel aber auch das epische Theater Brechts, das nicht einfach darstellt und die Zuschauer möglichst unmittelbar ergreift, sondern zugleich sichtbar macht, wie es darstellt, auf be- stimmte Aspekte zeigt, sie hervorhebt, rahmt – und andere wiederum verschwinden lässt. Verfremdung erscheint hier als Detailverschiebung eines realistischen Blicks auf die Konstellationen von Alltag und Fiktionalisierung.

Kirsten Maar, Arena und The Epic. Zur Produktion von Nicht-Evidenz, in The Epic, 2017

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - The Book - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - The Book - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - TALK Pola Sieverding and Maurice Funken - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - TALK Pola Sieverding and Maurice Funken - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - TALK Pola Sieverding and Maurice Funken - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - TALK Pola Sieverding and Maurice Funken - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - ORSON (VERSION) performing - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - ORSON (VERSION) performing - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - AWA-Bar - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - AWA-Bar - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - AWA-Bar - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - AWA-Bar - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Thomas + Annika + Orson performing @ AWA-Bar - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Thomas + Annika + Orson performing @ AWA-Bar - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018 Studio For Artistic Research Pola Sieverding Düsseldorf

THE EPIC - POLA SIEVERDING - Installation view - 2018